Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 13.08.2002
Aktenzeichen: 16 Ta 255/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 888
BGB § 630
1. Im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO ist der Erfüllungseinwand des Schuldners dann zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, wenn die die Erfüllung des titulierten Anspruchs begründenden Tatsachen unstreitig sind.

2. Zu den Anforderungen, die ein Schriftstück erfüllen muss, damit es den Merkmalen eines Arbeitszeugnisses genügt, gehört auch eine äußere Form, die den Gepflogenheiten des Geschäftslebens Rechnung trägt. Die Verwendung der Schriftgrösse »10« trägt dem Rechnung.


Hessisches Landesarbeitsgericht Beschluss

Aktenzeichen: 16 Ta 255/02

In dem Beschwerdeverfahren

hat die Kammer 16 des Hessischen Landesarbeitsgerichts auf die sofortige Beschwerde d. Gläubigerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts in Wetzlar vom 15. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter am LAG Hattesen

am 13. August 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 15. Mai 2002 - 2 Ca 509/00 - wird auf Kosten der Gläubigerin mit dem klarstellenden Zusatz zurückgewiesen, dass der Zwangsmittelantrag der Gläubigerin zurückgewiesen wird.

Der Beschwerdewert wird auf € 882,49 festgesetzt.

Gründe:

Die Gläubigerin wendet sich mit ihrer am 5.Juni 2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss, durch den ein die Schuldnerin durch Zwangsmittel zur Zeugniserteilung entsprechend einem gerichtlichen Vergleich anhaltender Beschluss des Arbeitsgerichts vom 23. April 2002 auf sofortige Beschwerde der Schuldnerin aufgehoben worden ist. Zur Begründung trägt die Gläubigerin vor, zwar habe die Schuldnerin mittlerweile ein dem Inhalt des gerichtlichen Vergleichs entsprechendes Zeugnis erteilt (Bl. 176 d.A.), dieses entspreche jedoch wegen seiner Form nicht den an ein Zeugnis zu stellenden Anforderungen, es sei keine übliche Schriftart verwendet worden, es fehlten Absätze und der Zeugnistext sei nicht so erstellt, dass er den Briefbogen weitgehend ausfülle. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht vorgelegt.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 793 ZPO an sich statthaft und wurde innerhalb der in § 569 Abs. 1 ZPO normierten 2-Wochen-Frist eingelegt.

In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg. Denn der Beschluss des Arbeitsgerichts ist nicht zu beanstanden.

Die Schuldnerin ist der titulierten Verpflichtung nachgekommen. Damit scheidet eine Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO aus.

Auch im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens nach § 888 ZPO kann sich der Schuldner auf die Erfüllung der titulierten Verpflichtung berufen. Denn § 888 ZPO spricht davon, dass der Schuldner zur »Vornahme« der Handlung anzuhalten ist, was nichts anderes bedeuten kann, als dass die Handlung noch nicht vorgenommen ist. Erfolgreich kann der Erfüllungseinwand jedoch nur geltend gemacht werden, wenn die entsprechenden Tatsachen unstreitig sind. Das entspricht st. Rspr. der Beschwerdekammer (vgl. zuletzt Kammerbeschluss v. 27. Juni 2002 - 16 Ta 201/02; ebenso z.B. LAG Köln 19. April 1996 LAGE § 888 ZPO Nr. 38; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl. 2002 § 888 ZPO Rz20; Musielak/Lackmann ZPO 3. Aufl. 2002 § 888 Rz8). Daran hält die Beschwerdekammer fest. In einem derartigen Fall ist nämlich die Gefahr einer Verzögerung der Zwangsvollstreckung aufgrund einer Feststellung streitiger Tatsachen im Vollstreckungsverfahren nicht gegeben; der Verweis des Schuldners auf die Vollstreckungsgegenklage mit der Möglichkeit eines Einstellungsantrags nach § 769 ZPO entspräche in einem solchen Fall weder der Prozesswirtschaftlichkeit noch dem wohlverstandenen Interesse der Parteien, die zwischen ihnen streitige rechtliche Bewertung unstreitiger Tatsachen möglichst schnell geklärt zu sehen.

Hier hat die Gläubigerin unstreitig ein Zeugnis mit dem aus Bl. 176 d.A. ersichtlichen Inhalt und der daraus auch ersichtlichen Form erhalten. Damit hat die Schuldnerin ihre im Vergleich titulierte Verpflichtung erfüllt.

Der Inhalt des Schriftstücks entspricht, wie zwischen den Parteien nicht im Streit steht, dem des gerichtlichen Vergleichs. Das mit »Zeugnis« überschriebene Schriftstück genügt auch im übrigen den Merkmalen, die an ein Zeugnis zu stellen sind. Mangels gesetzlicher Bestimmungen über die insoweit einzuhaltende Form muss ein als Zeugnis zu qualifizierendes Schriftstück den Voraussetzungen genügen, die im Geschäftsleben an ein Zeugnis gestellt zu werden pflegen (vgl. Kammerbeschluss v. 02.09.1997 - 16 Ta 378/97 MDR 1998, 544). Dazu gehören die genaue Firmenbezeichnung des Arbeitgebers, Ort und Datum der Ausstellung sowie die Unterschrift des Ausstellers (vgl. MünchArbR/Wank 2. Aufl. 2000 § 128 Rz14). Äußerlich muss das Schriftstück zudem in einer üblichen Schriftgröße und in einer den herkömmlichen Lesegewohnheiten angepassten Form erstellt sein.

Allen diesen Merkmalen genügt das von der Beklagten der Klägerin erteilte Schriftstück. Firmenbezeichnung, Ort und Datum der Ausstellung sowie Unterschrift der Ausstellerin sind vorhanden. Die verwendete Schriftgröße »10« ist einwandfrei lesbar und im Geschäftsleben nichts unübliches. Das Fehlen von Absätzen bei Tätigkeitsbeschreibung und Leistungsbeurteilung ist unschädlich, da hierdurch weder die Lesbarkeit noch das Verständnis des Inhalts erschwert wird. Im übrigen sind die entsprechenden Sätze nicht schlicht hintereinandergereiht, sondern jeweils durch Beginn einer neuen Zeile für Leistungs- und Führungsbewertung voneinander getrennt. Datum und Unterschrift sind durch Absatz abgehoben. Damit muss davon ausgegangen werden, dass die Schuldnerin ihre Verpflichtung zur Erteilung eines Zeugnisses erfüllt hat, eine Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO scheidet aus.

Zur Klarstellung war im Beschlusstenor auszusprechen, dass der Zwangsmittelantrag der Gläubigerin zurückgewiesen wird. Diesen Ausspruch hat dass Arbeitsgericht erkennbar versehentlich unterlassen.

Die Gläubigerin hat die Kosten ihrer erfolglosen sofortigen Beschwerde zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 3 ZPO.

Einen Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 S. 2 iVm § 72 Abs. 2 ArbGG idF von Art. 30 Nr. 15 ZPO-RG) war nicht ersichtlich. Damit ist dieser Beschluss unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück